Angelino Alfano

Angelino Alfano (2018)

Angelino Alfano (* 31. Oktober 1970 in Agrigent) ist ein ehemaliger italienischer Politiker (FI, PdL, NCD, AP). Er war von 2008 bis 2011 Justizminister unter Silvio Berlusconi, von 2013 bis 2014 stellvertretender Ministerpräsident unter Enrico Letta und bis 2016 Innenminister im Kabinett Renzi sowie von Dezember 2016 bis Juni 2018 Außenminister im Kabinett Gentiloni.

Im November 2013 verließ Alfano zusammen mit weiteren Regierungsmitgliedern und politischen Weggefährten Berlusconis die Forza Italia und gründete die neue Partei Nuovo Centrodestra („Neue rechte Mitte“), deren Vorsitz er übernahm. 2018 gab er den Parteivorsitz auf und trat nicht mehr zu den Parlamentswahlen an.

Politischer Werdegang

Nach einem Studium der Rechtswissenschaften an der Università Cattolica del Sacro Cuore in Mailand arbeitete Alfano als Rechtsanwalt und spezialisierte sich in Unternehmensrecht. Alfano trat ab 1994 als Silvio Berlusconis Rechtsbeistand auf. Seinem Wirken wird es zugeschrieben, dass Berlusconi gegen ihn gerichtete Gerichtsverfahren so lange hinauszögern konnte, bis sie nach italienischem Recht verjährt waren.[1]

Alfanos politisches Engagement begann in der Democrazia Cristiana (DC), in deren Jugendorganisation Movimento Giovanile er wichtige Funktionen im Verband der Provinz Agrigent innehatte. Nach dem Auseinanderfallen der DC schloss er sich 1994 der neugegründeten, von Berlusconi geführten Partei Forza Italia an. Von 1996 bis 2001 saß Alfano im sizilianischen Regionalparlament. Er war Koordinator der Forza Italia für die Region Sizilien.

Bei den Parlamentswahlen 2001 wurde er für den Wahlbezirk XXIV (Sizilien 1) in die Abgeordnetenkammer gewählt, wo er unter anderem stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für Gesetzgebung war. 2006 wiedergewählt, war er bis 2008 Mitglied des Haushaltsausschusses. 2008 wurde er erneut ins Parlament gewählt, diesmal als Kandidat des Popolo della Libertà, dem Nachfolgebündnis der Forza Italia.

Minister

Alfano mit Staatspräsident Giorgio Napolitano (2009)

Am 8. Mai 2008 wurde er als Justizminister in Berlusconis viertes Kabinett berufen. Mit 37 Jahren war er dort einer der jüngsten Minister. Als Justizminister legte er auch das Gesetz Lodo Alfano vor, das Gerichtsprozesse gegen die Inhaber der vier höchsten Staatsämter für die Dauer ihres Mandats aussetzen sollte. Das Gesetz wurde im Oktober 2009 vom italienischen Verfassungsgericht für ungültig erklärt. Am 27. Juli 2011 trat Alfano zurück,[2] um sich auf sein Parteiamt zu konzentrieren. Neuer Justizminister wurde Francesco Nitto Palma (bis dahin Staatssekretär im Innenministerium).

Am 28. April 2013 ernannte der neue Ministerpräsident Enrico Letta Alfano zum Innenminister und stellvertretenden Ministerpräsidenten. Ende September 2013 kündigte Alfano auf Berlusconis Druck hin zunächst an, gemeinsam mit den vier weiteren Ministern seiner Partei zurückzutreten und damit die Koalition zu beenden.[3] Berlusconi wollte damit den nach seiner Verurteilung bevorstehenden Ausschluss aus dem Senat verhindern. Doch Alfano und die anderen Regierungsmitglieder aus Berlusconis Partei hielten dies angesichts der politischen und wirtschaftlichen Lage des Landes für unverantwortlich und blieben im Amt.

Nach der Regierungsumbildung im Februar 2014 blieb Alfano im Kabinett Renzi Innenminister, verlor aber das Amt des Vizepremiers. In der Regierung Paolo Gentilonis wechselte Alfano am 12. Dezember 2016 an die Spitze des Außenministeriums. Er amtierte in dieser Position bis zum 1. Juni 2018.

Partei

Am 1. Juni 2011 wurde Alfano zum Parteisekretär des Popolo della Libertà gewählt.[4] Am 8. Juli 2011 gab Berlusconi in einem Interview[5] bekannt, dass er zur Parlamentswahl 2013 nicht mehr für das Amt des Ministerpräsidenten kandidieren werde. Als sein Nachfolger werde Justizminister Alfano kandidieren.[6][7] Am 9. November 2011 kündigte Berlusconi seinen Rücktritt an;[8] drei Tage später reichte er ihn offiziell bei Staatspräsident Giorgio Napolitano ein.[9] Der nachfolgenden Regierung von Mario Monti gehörte Alfano nicht mehr an.

Im Herbst 2013 spielte Alfano eine wichtige Rolle in einer Regierungskrise und in PdL-internen Meinungsverschiedenheiten zwischen Berlusconi, den fünf PdL-Ministern und PdL-Abgeordneten.[10] Am 15. November 2013 gründete er wegen der Unstimmigkeiten mit Berlusconi die Partei Nuovo Centrodestra („Neue rechte Mitte“), deren Vorsitz er übernahm und zu der alle PdL-Minister aus der Kabinett Enrico Letta übertraten, so dass sich Berlusconi in der Opposition wiederfand. Im Februar 2014 beteiligte sich die Nuovo Centro Destra auch am Kabinett des folgenden Ministerpräsidenten Matteo Renzi (PD).

Im März 2017 benannte die NCD sich in Alternativa Popolare um. Im September 2018 trat er als Parteivorsitzender zurück. Nach seinem Rückzug aus der Politik, nahm er seine Tätigkeit als Rechtsanwalt wieder auf.[11] 2022 wurde er von Staatspräsident Sergio Mattarella mit dem Großkreuz des Verdienstordens der Italienischen Republik ausgezeichnet.[12]

Verhältnis zur Mafia

2002 meldete die Zeitung „La Repubblica“, Alfano habe 1996 an der Hochzeit der Tochter des Mafiabosses von Palma di Montechiaro, Croce Napoli, teilgenommen und sei vom Mafiaboss geküsst worden.[13] Alfano bestritt daraufhin, Croce Napoli zu kennen; er konnte sich auch nicht daran erinnern, dass er auf der Hochzeitsfeier von dessen Tochter gewesen sei. Tags darauf konnte er sich an die Hochzeit erinnern. Er sei als Freund des Bräutigams von diesem eingeladen worden, habe jedoch nicht gewusst, dass es sich um eine Mafiahochzeit handelte: „Ich muss mich nicht rechtfertigen, ich bin ein überzeugter und bekennender Mafiagegner seit dem Gymnasium.“[14] Im Oktober 2009 berichtete der „pentito“ Ignazio Gagliardo, Alfanos Vater habe über die Mafia Wahlstimmen für seinen Sohn gekauft.[15]

Literatur

  • Angelino Alfano in Internationales Biographisches Archiv 25/2013 vom 18. Juni 2013, im Munzinger-Archiv (Artikelanfang frei abrufbar)

Weblinks

Commons: Angelino Alfano – Sammlung von Bildern
  • Persönliche Website (italienisch)
  • Alfano, Angelino. In: Enciclopedia on line. Istituto della Enciclopedia Italiana, Rom. Abgerufen am 8. September 2022.
  • Angelino Alfano auf Camera dei Deputati – Portale storico (italienisch)
  • Informationen auf der Website des Italienischen Außenministeriums (italienisch, englisch)
  • Profil bei openpolis.it (italienisch)

Einzelnachweise

  1. Udo Gümpel: Warum Berlusconi seine Partei nicht im Griff hat. Portal n-tv.de, 2. Oktober 2013; abgerufen am 3. Oktober 2013
  2. Nitto Francesco Palma è il nuovo guardasigilli Succede al dimissionario Angelino Alfano. (Memento vom 25. März 2016 im Internet Archive) Website des italienischen Justizministeriums, abgerufen am 28. Juli 2011.
  3. Berlusconis Minister treten zurück. sueddeutsche.de, 28. September 2013
  4. @1@2Vorlage:Toter Link/www.sueddeutsche.deSekretär für Berlusconi. (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im Juni 2017. Suche in Webarchiven) Süddeutsche Zeitung, 3. Juni 2011, abgerufen am 11. Juni 2011.
  5. E il Cavaliere annuncia il ritiro. La Repubblica
  6. faz.net
  7. Berlusconi bringt Kronprinz in Stellung. Spiegel Online, 9. November 2011; abgerufen am 9. November 2011.
  8. Wolfgang Jaschensky, Michael König: Premierminister vor dem Rücktritt. Wie Italien von Berlusconi geheilt werden kann. In: Süddeutsche Zeitung, 9. November 2011.
  9. Consultazioni al Quirinale a seguito delle dimissioni del Governo Berlusconi. Offizielle Mitteilung des Quirinalspalasts, 12. November 2011.
  10. Die Phantastischen Fünf. In: FAZ, 1. Oktober 2013
  11. Alfano, l’addio alla politica dopo i tremila giorni da ministro: “Torno a fare l’avvocato”. In: repubblica.it. 30. Juni 2018, abgerufen am 8. September 2022 (italienisch). 
  12. Alfano Avv. Angelino. In: quirinale.it. Abgerufen am 8. September 2022 (italienisch). 
  13. Francesco Viviano: „Il bacio pericoloso di Alfano“, La Repubblica vom 5. Februar 2002, abgerufen am 15. April 2011.
  14. Francesco Viviano: Alfano ricorda: ‘Ero amico dello sposo’, La Repubblica vom 6. Februar 2002, abgerufen am 15. April 2011.
  15. Il pentito: ‚Il padre di Alfano ci chiedeva voti per il figlio‘. Corriere della Sera, 8. Oktober 2009, abgerufen am 15. April 2011.
Außenminister der Republik Italien

Alcide De Gasperi | Pietro Nenni | Carlo Sforza (1.–4.) | Alcide De Gasperi (2.–3.) | Giuseppe Pella | Attilio Piccioni (1.–2.) | Gaetano Martino (1.–2.) | Giuseppe Pella (2.) | Amintore Fanfani | Giuseppe Pella (3.) | Antonio Segni (1.–3.) | Amintore Fanfani (2.) | Attilio Piccioni (3.–4.) | Giuseppe Saragat (1.–2.) | Aldo Moro | Amintore Fanfani (3.) | Aldo Moro (2.) | Amintore Fanfani (4.) | Giuseppe Medici | Pietro Nenni (2.) | Aldo Moro (3.–6.) | Giuseppe Medici (2.) | Aldo Moro (7.–8.) | Mariano Rumor (1.–2.) | Arnaldo Forlani (1.–3.) | Franco Maria Malfatti | Attilio Ruffini | Emilio Colombo (1.–5.) | Giulio Andreotti (1.–5.) | Gianni De Michelis (1.–2.) | Vincenzo Scotti | Giuliano Amato | Emilio Colombo (6.) | Beniamino Andreatta | Leopoldo Elia | Antonio Martino | Susanna Agnelli | Lamberto Dini (1.–4.) | Giuliano Amato (2.) | Renato Ruggiero | Silvio Berlusconi | Franco Frattini | Gianfranco Fini (1.–2.) | Massimo D’Alema | Franco Frattini (2.) | Giulio Terzi di Sant’Agata | Mario Monti | Emma Bonino | Federica Mogherini | Paolo Gentiloni | Angelino Alfano | Enzo Moavero Milanesi | Luigi Di Maio (1.–2.) | Antonio Tajani

Innenminister der Republik Italien

Alcide De Gasperi | Mario Scelba (1.–5.) | Amintore Fanfani (1.–2.) | Giulio Andreotti | Mario Scelba (6.) | Fernando Tambroni (1.–3.) | Antonio Segni | Giuseppe Spataro | Mario Scelba (7.) | Paolo Emilio Taviani | Mariano Rumor | Paolo Emilio Taviani (2.–4.) | Franco Restivo (1.–5.) | Mariano Rumor (2.–3.) | Paolo Emilio Taviani (5.–6.) | Luigi Gui | Francesco Cossiga (1.–3.) | Virginio Rognoni (1.–8.) | Oscar Luigi Scalfaro (1.–3.) | Amintore Fanfani (3.) | Antonio Gava (1.–2.) | Vincenzo Scotti (1.–2.) | Nicola Mancino (1.–2.) | Roberto Maroni | Antonio Brancaccio | Giovanni Rinaldo Coronas | Giorgio Napolitano | Rosa Russo Iervolino | Enzo Bianco (1.–2.) | Claudio Scajola | Giuseppe Pisanu (1.–2.) | Giuliano Amato | Roberto Maroni (2.) | Annamaria Cancellieri | Angelino Alfano (1.–2.) | Marco Minniti | Matteo Salvini | Luciana Lamorgese (1.–2.) | Matteo Piantedosi

Justizminister der Republik Italien

Fausto Gullo (1.–2.) | Giuseppe Grassi (1.–2.) | Attilio Piccioni | Adone Zoli | Guido Gonella | Antonio Azara | Michele De Pietro (1.–2.) | Aldo Moro | Guido Gonella (2.–6.) | Giacinto Bosco (1.–2.) | Oronzo Reale (1.–3.) | Guido Gonella (7.) | Silvio Gava (1.–2.) | Oronzo Reale (4.–5.) | Guido Gonella (8.–9.) | Mario Zagari (1.–2.) | Oronzo Reale (6.) | Francesco Paolo Bonifacio (1.–3.) | Tommaso Morlino (1.–3.) | Adolfo Sarti | Clelio Darida (1.–4.) | Mino Martinazzoli | Virginio Rognoni (1.–2.) | Giuliano Vassalli (1.–3.) | Claudio Martelli (1.–3.) | Giovanni Conso (1.–2.) | Alfredo Biondi | Filippo Mancuso | Vincenzo Caianiello | Giovanni Maria Flick | Oliviero Diliberto (1.–2.) | Piero Fassino | Roberto Castelli (1.–2.) | Clemente Mastella | Luigi Scotti | Angelino Alfano | Nitto Palma | Paola Severino | Annamaria Cancellieri | Andrea Orlando (1.–2.) | Alfonso Bonafede (1.–2.) | Marta Cartabia | Carlo Nordio

Kabinett Berlusconi IV – 8. Mai 2008 bis 16. November 2011

Silvio Berlusconi (PdL) | Franco Frattini (PdL) | Roberto Maroni (LN) | Angelino Alfano (PdL, bis 27. Juli 2011) | Nitto Francesco Palma (PdL, ab 28. Juli 2011) | Giulio Tremonti (PdL) | Claudio Scajola (PdL, bis 4. Mai 2010) | Paolo Romani (PdL, ab 4. Oktober 2010) | Ignazio La Russa (PdL) | Maurizio Sacconi (PdL) | Ferruccio Fazio (PdL) | Altero Matteoli (PdL) | Mariastella Gelmini (PdL) | Stefania Prestigiacomo (PdL) | Luca Zaia (LN, bis 16. April 2010) | Giancarlo Galan (PdL, ab 16. April) | Saverio Romano (IR/PeT, ab 23. März 2011) | Sandro Bondi (PdL, bis 23. März 2011)

Kabinett Letta – 28. April 2013 bis 22. Februar 2014

Enrico Letta (PD) | Emma Bonino (RI) | Angelino Alfano (PdL/NCD) | Annamaria Cancellieri | Fabrizio Saccomanni | Mario Mauro (SC) | Maurizio Lupi (PdL/NCD) | Flavio Zanonato (PD) | Nunzia De Girolamo (PdL/NCD) (bis 27. Januar 2014) | Maria Chiara Carrozza  (PD) | Massimo Bray (PD) | Beatrice Lorenzin (PdL/NCD) | Enrico Giovannini | Andrea Orlando (PD)

Kabinett Renzi – 22. Februar 2014 bis 12. Dezember 2016

Matteo Renzi (PD) | Federica Mogherini (PD, bis 31. Oktober 2014) | Paolo Gentiloni (PD, ab 31. Oktober 2014) | Angelino Alfano (NCD) | Maurizio Lupi (NCD, bis 20. März 2015) | Graziano Delrio (PD, ab 2. April 2015) | Andrea Orlando (PD) | Pier Carlo Padoan | Roberta Pinotti (PD) | Federica Guidi (bis 5. April 2016) | Carlo Calenda (ab 10. Mai 2016) | Maurizio Martina (PD) | Stefania Giannini (PD) | Dario Franceschini (PD) | Beatrice Lorenzin (NCD) | Giuliano Poletti | Gian Luca Galletti (UdC)

Kabinett Gentiloni – 12. Dezember 2016 bis 1. Juni 2018
Normdaten (Person): GND: 1019561912 (lobid, OGND, AKS) | LCCN: no2012006880 | VIAF: 227756417 | Wikipedia-Personensuche
Personendaten
NAME Alfano, Angelino
KURZBESCHREIBUNG italienischer Politiker (NCD), Mitglied der camera
GEBURTSDATUM 31. Oktober 1970
GEBURTSORT Agrigent