Faktorring

In der Algebra bezeichnet man eine bestimmte Art von Ringen als Faktorring oder Quotientenring oder Restklassenring. Es handelt sich dabei um eine Verallgemeinerung der Restklassenringe ganzer Zahlen.

Definition

Ist ( R , + , ) {\displaystyle (R,+,\cdot )} ein Ring und I {\displaystyle I} ein (beidseitiges) Ideal von R {\displaystyle R} , dann bildet die Menge R / I = { a + I a R } {\displaystyle R/I=\left\{a+I\mid a\in R\right\}} der Äquivalenzklassen modulo I {\displaystyle I} mit folgenden Verknüpfungen einen Ring:

  • ( a + I ) + ( b + I ) := ( a + b ) + I {\displaystyle (a+I)+(b+I):=(a+b)+I}
  • ( a + I ) ( b + I ) := a b + I , {\displaystyle (a+I)\cdot (b+I):=a\cdot b+I,}

wobei ( a + I ) {\displaystyle (a+I)} definiert ist als { a + r | r I } {\displaystyle \{a+r\,|\,r\in I\}} .

Diesen Ring nennt man den Faktorring R {\displaystyle R} modulo I {\displaystyle I} oder Restklassenring oder Quotientenring. (Er hat jedoch nichts mit den Begriffen Quotientenkörper bzw. Totalquotientenring zu tun; diese sind Lokalisierungen.)

Beispiele

  • Die Menge n Z {\displaystyle n\mathbb {Z} } aller ganzzahligen Vielfachen von n {\displaystyle n} ist ein Ideal in Z {\displaystyle \mathbb {Z} } , und der Faktorring Z / n Z {\displaystyle \mathbb {Z} /n\mathbb {Z} } ist der Restklassenring modulo n {\displaystyle n} .
  • Ist f R [ X ] {\displaystyle f\in R[X]} ein Polynom über einem kommutativen unitärem Ring R {\displaystyle R} , dann ist die Menge R [ X ] f = ( f ) {\displaystyle R[X]\cdot f=(f)} aller Polynom-Vielfachen von f {\displaystyle f} ein Ideal im Polynomring R [ X ] {\displaystyle R[X]} , und R [ X ] / ( f ) = { g + ( f ) g R [ X ] } {\displaystyle R[X]/(f)=\left\{g+(f)\mid g\in R[X]\right\}} ist der Faktorring R [ X ] {\displaystyle R[X]} modulo f {\displaystyle f} .
  • Betrachten wir das Polynom f = X 2 + 1 {\displaystyle f=X^{2}+1} über dem Körper R {\displaystyle \mathbb {R} } der reellen Zahlen, so ist der Faktorring R [ X ] / ( f ) {\displaystyle \mathbb {R} [X]/(f)} isomorph zum Körper der komplexen Zahlen; die Äquivalenzklasse von X {\displaystyle X} entspricht dabei der imaginären Einheit i {\displaystyle \mathrm {i} } .
Rechenbeispiele:
Das Polynom X 2 {\displaystyle X^{2}} liegt wegen X 2 = f 1 {\displaystyle X^{2}=f-1} in derselben Äquivalenzklasse modulo f {\displaystyle f} wie 1 {\displaystyle -1} .
Für das Produkt [ X + 1 ] [ X + 2 ] {\displaystyle [X+1]\cdot [X+2]} ermitteln wir [ X + 1 ] [ X + 2 ] = [ ( X + 1 ) ( X + 2 ) ] = [ X 2 + 3 X + 2 ] = [ 3 X + 1 ] {\displaystyle [X+1]\cdot [X+2]=[(X+1)\cdot (X+2)]=[X^{2}+3X+2]=[3X+1]}
  • Man erhält alle endlichen Körper als Faktorringe der Polynomringe über den Restklassenkörpern F p = Z / p Z {\displaystyle \mathbb {F} _{p}=\mathbb {Z} /p\mathbb {Z} } mit p {\displaystyle p} Primzahl.

Eigenschaften

  • Ist R {\displaystyle R} ein kommutativer Ring mit Einselement, so ist ein Ideal I {\displaystyle I} genau dann ein Primideal, wenn R / I {\displaystyle R/I} ein Integritätsring ist.
  • Ist R {\displaystyle R} ein kommutativer Ring mit Einselement, so ist ein Ideal I {\displaystyle I} genau dann ein maximales Ideal, wenn R / I {\displaystyle R/I} ein Körper ist.
  • Ist K {\displaystyle K} ein Körper und f {\displaystyle f} ein irreduzibles Polynom über K {\displaystyle K} , dann ist ( f ) {\displaystyle (f)} ein maximales Ideal in K [ X ] {\displaystyle K[X]} und deshalb ist L : = K [ X ] / ( f ) {\displaystyle L\colon =K[X]/(f)} ein Körper. Dieser Körper ist ein Oberkörper von K {\displaystyle K} , in dem f {\displaystyle f} eine Nullstelle hat (die Restklasse von X {\displaystyle X} ). Die Körpererweiterung L / K {\displaystyle L/K} ist endlich und algebraisch, ihr Grad stimmt mit dem Grad von f {\displaystyle f} überein. Wiederholt man das Verfahren mit den über L {\displaystyle L} nicht-linearen irreduziblen Teilern von f {\displaystyle f} , so erhält man schließlich einen Körper, in dem f {\displaystyle f} in Linearfaktoren zerfällt: Den Zerfällungskörper von f {\displaystyle f} .

Idealtheorie

Sei R {\displaystyle R} ein kommutativer Ring mit Einselement und I R {\displaystyle I\subseteq R} ein Ideal. Dann sind

  • die Ideale des Rings R / I {\displaystyle R/I} genau die Ideale J {\displaystyle J} von R {\displaystyle R} , die I {\displaystyle I} enthalten (also I J {\displaystyle I\subseteq J} )
  • die Primideale des Rings R / I {\displaystyle R/I} genau die Primideale von R {\displaystyle R} , die I {\displaystyle I} enthalten
  • die Maximalideale des Rings R / I {\displaystyle R/I} genau die Maximalideale von R {\displaystyle R} , die I {\displaystyle I} enthalten

Bemerkung

Der Begriff ist zu unterscheiden vom faktoriellen Ring, in dem die eindeutige Primfaktorzerlegung existiert.

Literatur

  • Kurt Meyberg, Algebra I, Carl Hanser Verlag (1980), ISBN 3-446-13079-9, Kapitel 3: "Ringe"