Potenzmenge

Die Potenzmenge von {x, y, z}, dargestellt als Hasse-Diagramm.

Als Potenzmenge bezeichnet man in der Mengenlehre die Menge aller Teilmengen einer gegebenen Grundmenge.

Man notiert die Potenzmenge einer Menge X {\displaystyle X} meist als P ( X ) {\displaystyle {\mathcal {P}}(X)} . Das Wesen der Potenzmenge wurde schon von Ernst Zermelo untersucht. Der kompakte Begriff „Potenzmenge“ hingegen – der sich in dem Zusammenhang mit der arithmetischen Potenz anbietet – wurde auch von Gerhard Hessenberg in seinem Lehrbuch von 1906 noch nicht benutzt; er verwendet dafür die Wortverbindung „Menge der Teilmengen“.

Definition

Die Potenzmenge P ( X ) {\displaystyle {\mathcal {P}}(X)} einer Menge X {\displaystyle X} ist eine neue Menge, die aus allen Teilmengen U {\displaystyle U} von X {\displaystyle X} besteht. Die Potenzmenge ist also ein Mengensystem, das heißt, eine Menge, deren Elemente selbst Mengen sind. In Formelschreibweise lautet die Definition einer Potenzmenge

P ( X ) := { U U X } {\displaystyle {\mathcal {P}}(X):=\{U\mid U\subseteq X\}} .

Dabei ist zu beachten, dass auch die leere Menge {\displaystyle \emptyset } und die Menge X {\displaystyle X} Teilmengen von X {\displaystyle X} sind, also Elemente der Potenzmenge P ( X ) {\displaystyle {\mathcal {P}}(X)} . Andere gebräuchliche Notationen für die Potenzmenge sind p ( X ) ,   2 X ,   P o t ( X ) ,   Π ( X ) ,   ( X ) {\displaystyle {\mathfrak {p}}(X),\ 2^{X},\ \mathrm {Pot} (X),\ \Pi (X),\ \wp (X)} und P ( X ) {\displaystyle {\mathfrak {P}}(X)} .

Beispiele

  • P ( ) = { } {\displaystyle {\mathcal {P}}(\emptyset )=\{\emptyset \}}
  • P ( { a } ) = { , { a } } {\displaystyle {\mathcal {P}}(\{a\})={\bigl \{}\emptyset ,\{a\}{\bigr \}}}
  • P ( { a , b } ) = { , { a } , { b } , { a , b } } {\displaystyle {\mathcal {P}}(\{a,b\})={\bigl \{}\emptyset ,\{a\},\{b\},\{a,b\}{\bigr \}}}
  • P ( { a , b , c } ) = { , { a } , { b } , { c } , { a , b } , { a , c } , { b , c } , { a , b , c } } {\displaystyle {\mathcal {P}}(\{a,b,c\})={\bigl \{}\emptyset ,\{a\},\{b\},\{c\},\{a,b\},\{a,c\},\{b,c\},\{a,b,c\}{\bigr \}}}
  • P ( P ( ) ) = { , { } } {\displaystyle {\mathcal {P}}({\mathcal {P}}(\emptyset ))={\bigl \{}\emptyset ,\{\emptyset \}{\bigr \}}}
  • P ( P ( { a } ) ) = { , { } , { { a } } , { , { a } } } {\displaystyle {\mathcal {P}}({\mathcal {P}}(\{a\}))={\bigl \{}\emptyset ,\{\emptyset \},\{\{a\}\},\{\emptyset ,\{a\}\}{\bigr \}}}

Strukturen auf der Potenzmenge

Partielle Ordnung

Die Inklusionsrelation {\displaystyle \subseteq } ist eine Halbordnung auf P ( X ) {\displaystyle {\mathcal {P}}(X)} (und keine Totalordnung, wenn X {\displaystyle X} mindestens zwei Elemente hat). Das kleinste Element der Ordnung ist {\displaystyle \emptyset } , das größte Element ist X {\displaystyle X} .

Vollständiger Verband

Die Halbordnung ( P ( X ) , ) {\displaystyle ({\mathcal {P}}(X),\subseteq )} ist ein vollständiger Verband. Dies bedeutet, dass es zu jeder Teilmenge von P ( X ) {\displaystyle {\mathcal {P}}(X)} ein Infimum und ein Supremum (in P ( X ) {\displaystyle {\mathcal {P}}(X)} ) gibt. Konkret ist für eine Menge T P ( X ) {\displaystyle T\subseteq {\mathcal {P}}(X)} das Infimum von T {\displaystyle T} gleich dem Durchschnitt der Elemente von T {\displaystyle T} , und das Supremum von T {\displaystyle T} ist gleich der Vereinigung der Elemente von T {\displaystyle T} , also

inf ( T ) = M T M  und  s u p ( T ) = M T M . {\displaystyle \inf(T)=\bigcap _{M\in T}M\quad {\text{ und }}\quad \mathrm {sup} (T)=\bigcup _{M\in T}M.}

Das größte und das kleinste Element erhält man als Infimum bzw. Supremum der leeren Menge, also

inf ( ) = X  und  sup ( ) = . {\displaystyle \inf(\emptyset )=X\quad {\text{ und }}\quad \sup(\emptyset )=\emptyset .}

Boolescher Verband

Zieht man noch die Komplementabbildung c : P ( X ) P ( X ) {\displaystyle {}^{\mathrm {c} }:{\mathcal {P}}(X)\rightarrow {\mathcal {P}}(X)} heran, ist ( P ( X ) , , , c , , X ) {\displaystyle ({\mathcal {P}}(X),\cap ,\cup ,^{\mathrm {c} },\emptyset ,X)} ein boolescher Verband, also ein distributiver und komplementärer Verband.

Kommutativer Ring

Jeder boolesche Verband induziert eindeutig eine kommutative Ringstruktur, den sogenannten booleschen Ring. Hier auf P ( X ) {\displaystyle {\mathcal {P}}(X)} ist die Ringaddition gegeben durch die symmetrische Differenz von Mengen, die Ringmultiplikation ist der Durchschnitt. Die leere Menge ist neutral für die Addition und X {\displaystyle X} ist neutral für die Multiplikation.

Charakteristische Funktionen

Jeder Teilmenge T X {\displaystyle T\subseteq X} kann man die charakteristische Funktion χ T : X { 0 , 1 } {\displaystyle \chi _{T}\colon X\to \{0,1\}} zuordnen, wobei gilt

χ T ( x ) := { 1 , x T 0 , x T {\displaystyle \chi _{T}(x):={\begin{cases}1,&x\in T\\0,&x\not \in T\end{cases}}}

Diese Zuordnung ist eine Bijektion zwischen P ( X ) {\displaystyle {\mathcal {P}}(X)} und { 0 , 1 } X {\displaystyle \{0,1\}^{X}} (wobei die Notation B A {\displaystyle B^{A}} für die Menge aller Funktionen von A {\displaystyle A} nach B {\displaystyle B} benutzt wird). Dies motiviert für P ( X ) {\displaystyle {\mathcal {P}}(X)} auch die Schreibweise 2 X {\displaystyle 2^{X}} , denn in von Neumanns Modell der natürlichen Zahlen ist 2 = { 0 , 1 } {\displaystyle 2=\{0,1\}} (allgemein: n = { 0 , . . . , n 1 } {\displaystyle n=\{0,...,n-1\}} ).

Die Korrespondenz P ( X ) { 0 , 1 } X {\displaystyle {\mathcal {P}}(X)\cong \{0,1\}^{X}} ist zunächst eine reine Bijektion, lässt sich aber leicht als Isomorphismus bezüglich jeder der oben betrachteten Strukturen auf der Potenzmenge nachweisen.

Die Größe der Potenzmenge (Kardinalität)

| M | {\displaystyle |M|} bezeichnet die Mächtigkeit einer Menge M {\displaystyle M} .

  • Für endliche Mengen X {\displaystyle X} gilt: | P ( X ) | = 2 | X | {\displaystyle |{\mathcal {P}}(X)|=2^{|X|}} .
  • Stets gilt der Satz von Cantor: | X | < | P ( X ) | {\displaystyle |X|<|{\mathcal {P}}(X)|} .

Der Übergang zur Potenzmenge liefert also immer eine größere Mächtigkeit. Analog zu endlichen Mengen schreibt man auch 2 | X | {\displaystyle 2^{|X|}} für die Mächtigkeit | P ( X ) | = | 2 X | {\displaystyle |{\mathcal {P}}(X)|=\left|2^{X}\right|} der Potenzmenge einer unendlichen Menge X {\displaystyle X} . Die verallgemeinerte Kontinuumshypothese (GCH) besagt für unendliche Mengen X {\displaystyle X} , dass | P ( X ) | {\displaystyle |{\mathcal {P}}(X)|} die nach | X | {\displaystyle |X|} nächstgrößere Mächtigkeit ist: G C H ( | X | < | Y | | P ( X ) | | Y | ) . {\displaystyle \mathrm {GCH} \implies (|X|<|Y|\implies |{\mathcal {P}}(X)|\leq |Y|).}

Beschränkung auf kleinere Teilmengen

Mit P κ ( X ) = { U X : | U | < κ } {\displaystyle {\mathcal {P}}_{\kappa }(X)=\{U\subseteq X:|U|<\kappa \}} wird von manchen Autoren die Menge derjenigen Teilmengen von X {\displaystyle X} bezeichnet, die weniger als κ {\displaystyle \kappa } Elemente enthalten. Beispielsweise wäre dann P 3 ( { a , b , c } ) = { , { a } , { b } , { c } , { a , b } , { a , c } , { b , c } } {\displaystyle {\mathcal {P}}_{3}(\{a,b,c\})=\{\emptyset ,\{a\},\{b\},\{c\},\{a,b\},\{a,c\},\{b,c\}\}} : Die Menge { a , b , c } {\displaystyle \{a,b,c\}} selbst fehlt, da sie nicht weniger als 3 {\displaystyle 3} Elemente hat. Andere Autoren verstehen unter P κ ( X ) {\displaystyle {\mathcal {P}}_{\kappa }(X)} jedoch auch die Menge der Teilmengen von X {\displaystyle X} , die genau die Mächtigkeit κ {\displaystyle \kappa } haben.[1] In diesem Fall wäre P 3 ( { a , b , c } ) = { { a , b , c } } {\displaystyle {\mathcal {P}}_{3}(\{a,b,c\})=\{\{a,b,c\}\}} . Für letztere Variante ist auch die Schreibweise ( X κ ) {\displaystyle {\binom {X}{\kappa }}} gebräuchlich.[2]

Potenzklasse

Der Begriff der Potenzmenge lässt sich auf Klassen erweitern, wobei zu beachten ist, dass echte Klassen nicht auf der linken Seite der Enthaltenseins-Relation {\displaystyle \in } stehen können. Die Potenz (Potenzklasse) einer Klasse K ist gegeben durch die Klasse aller Mengen, deren Elemente alle in K enthalten sind. Die Elemente der Potenzklasse von K sind also die Teilmengen von K. Die Potenz einer echten Klasse K ist wieder eine echte Klasse, denn sie enthält die Einermengen {x} zu allen Elementen x von K. Sie enthält immer die Leermenge ∅, aber nicht die echte Klasse K selbst.

Ist U {\displaystyle {\mathcal {U}}} die Allklasse, gilt mit diesen Begrifflichkeiten ganz offenbar P ( U ) U {\displaystyle {\mathcal {P}}({\mathcal {U}})\subseteq {\mathcal {U}}} , und das Prinzip der Epsilon-Induktion lässt sich kompakt darstellen als die Forderung, dass U {\displaystyle {\mathcal {U}}} die einzige Klasse mit dieser Eigenschaft ist: Ist A {\displaystyle A} eine beliebige Klasse, gilt

P ( A ) A U A {\displaystyle {\mathcal {P}}(A)\subseteq A\implies {\mathcal {U}}\subseteq A} .

Sonstiges

  • Die Existenz der Potenzmenge zu jeder Menge wird in der Zermelo-Fraenkel-Mengenlehre als eigenes Axiom gefordert, nämlich durch das Potenzmengenaxiom.
  • Ein Mengensystem wie beispielsweise eine Topologie oder eine σ-Algebra über einer Grundmenge X {\displaystyle X} ist eine Teilmenge der Potenzmenge P ( X ) {\displaystyle {\mathcal {P}}(X)} , also ein Element von P ( P ( X ) ) {\displaystyle {\mathcal {P}}({\mathcal {P}}(X))} .

Literatur

  • Oliver Deiser: Einführung in die Mengenlehre. Die Mengenlehre Georg Cantors und ihre Axiomatisierung durch Ernst Zermelo. 2., verbesserte und erweiterte Auflage. Springer, Berlin u. a. 2004, ISBN 3-540-20401-6.

Weblinks

Wikibooks: Mathe für Nicht-Freaks: Potenzmenge – Lern- und Lehrmaterialien
Wikibooks: Beweisarchiv: Mengenlehre – Lern- und Lehrmaterialien
Wiktionary: Potenzmenge – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Heinz Lüneburg: Kombinatorik. Basel 1971, S. 7. 
  2. Konrad Jacobs & Dieter Jungnickel: Einführung in die Kombinatorik. Berlin 2004, S. 2.